Zehnzeiler

Residenznachbarhaus & das zweitausendneunte Gedicht

Nächtlicher Blick auf die Bayerische Staatsoper

Limits

Ich habe schon so viele Worte verbraucht,
Da wird's keine neuen mehr geben.
Mein Dauerauftrag scheint erschöpft - und verraucht,
Der Kontostand lauert daneben.

Ich fühl mich von Süchten nach Versen erdrückt -
Gedichte, die ständig verlangen,
Spür, wie meine Bank ihre Kuckucke zückt.

Doch aus den poetischen Zangen
Gibt's kein Zurück zur Ruhe mehr,
Zum Prosa-Glück, das ich entbehr.

Ungeschminkt & das zweitausenderste Gedicht

Der Überruhrer Weihnachtsbaum 2021. Selbst mit ausgewählt.

Der Geist der Weihnacht (mit zwei Endoptionen)

Da war ich über Weihnachten kurz zwei Minuten nüchtern,
Schau meines Platzes Nachbarn an und melde etwas schüchtern:
"Ich glaub, ich bin nicht richtig hier - ich kenn Sie alle nicht!"
(Dies ist die erste Möglichkeit fürs Ende vom Gedicht.)
"Setz dich getrost - wir wissen da genauso viel wie du!"
Flugs füllte man mein leeres Glas und prostete mir zu.

So macht der Geist der Weihnacht nicht allein aus Fremden Brüder -
Wir nebeln die Familie ein und werden selig müder,
Bis man sich bald mehr und schon nicht mehr erkennt.
(Das ist Ende zwei. Einen schönen Advent!)

Nachtwanderer & das eintausendneunhundertzweiundneunzigste Gedicht

Rückblick auf frühere Reisen: Mausmaki by night auf Madagaskar

Schluss und aus, Maki Maus

Sie, Marquis Maus, schau'n handlich aus
ein Fäustling wär' Euch ein Full House

Als heller Kopf scheut Ihr das Licht
mit knopfbeäugtem Trollgesicht
welches aufglüht im blendenden Schein meiner Maglite
und wir starren erstarrt, bis dass Ihr plötzlich weg seid

Nur mäuschengroß sind Nachtmakisen
doch Motten fürchten sich vor diesen
Sie entflieh'n den Grapschern, schrei'n stumm: "Oh, Graus!
Herrmott, was schau'n die riesig aus!"

Justizviertel & das eintausendneunhundertdreiundachtzigste Gedicht

Dachschmuck von Justizpalast und Oberlandesgericht München

Vergeudete Patronen

Und wieder zieht so Kleinkramscheiß
Meinem Tag die Stunden!
Wenn ich alsbald ins Nachtgras beiß,
Kau ich nur auf Wunden!

Das "Dieser Tag war nicht verloren"
Hängt mir längst aus beiden Ohren!
Statt Behördenkleinstkramscheißer
Wär ich Größtwilddarmaufreißer!

Doch werd mit dem Schiss ich mich weiter bescheiden ...
Und an ungescheh'nen Trophäen mich weiden.

Bonobo & das eintausendneunhundertsechsundsiebzigste Gedicht

Bonobo Schimpanse im Affenhaus im Zoo Berlin

Auf einmal gibt es eine Pause im neuen Stück der Lach- & Schießgesellschaft, das morgen eine kleine Vorstellung zwecks Aufzeichnung gibt - und ein schnelles Gedicht musste her:

Aufgestaut Pausenrückblick

Da reagierte Maria grad doch etwas scharf!
Entsprechend besteht im Bus Reglungsbedarf
Und so zwingen im Cockpit nun Daniel und Jean
Die Lenkraddespotin zur Koalition.

Doch dass drei Parteien sich einigen -
Das können auch andre bescheinigen! -
Ist hart. Überall sich an- und abzugleichen -
Ein Fall für die Drei Fragezeichen!
Und so schuf unsre Taskforce aus Weh!, Ach! und Au!
Den Maßnahmenkatalog “Bus muss durch Stau”.

Aber sehen Sie selbst!

Notausgang & das eintausendneunhundertsechsunddreißigste Gedicht

Octavi Serra im Kunstlabor 2

Fingerübung - Sachbearbeiter A, F und S

Affenzahn und Wasserhahn,
Waffennarr und Asselschar,
Pfaffenpaar und Achselhaar,
Schaffn wa! und Wasn da?

Vatertag und Saatertrag,
Fantatrank und Satandank,
Angelfang und Walgesang,
Abfallfraß und Spartenspaß.

Hafenbahn und Rassenwahn,
Affenzahn und Wasserhahn.

Isenburger Schloss & das eintausendneunhundertzwanzigste Gedicht

Isenburger Schloss in Offenbach

Offenbach

Ging heut mit aller Offenheit
Durch Offenbach spazieren -
Wo manche Strass' "Komm, hass mich!" schreit
Und Kids nach Ghettos gieren.

Vorfreude hat schon oft verletzt:
Die Allmacht vom Klischee.
In die schon alles übersetzt,
Bevor ich's selber seh.

Auf freien Blick zu hoffen, ach,
Gilt nicht allein für Offenbach!

Medinagasse & das eintausendneunhundertdritte Gedicht

in den Gassen der Medina von Fez

Aufgebrochen in die Weite

Aufgebrochen in die Weite,
Haben wir unsern Weg doch gefunden.
Jeder an des andren Seite -
Im Gleichschritt, doch nicht dran gebunden.

Ich weiß nicht, wie oft du nach hinten noch schaust,
Wie sehr du auf unsern Zusammenschluss baust -
Doch wisse, du solltest nicht warten!

Hab unsern Weg nicht aufgegeben,
Doch schaffte unsre Nähe eben
Zu enge Gassen für Taten.

Paradiesstille & das eintausendachthundertneunundachtzigste Gedicht

Schnelle Tage

Frühmorgens hält sich der Tag noch an die Zeit,
Gen Mittag erhebt er die Peitsche und schreit:

"Sputet los, ihr müden Minuten und Stunden,
Scheucht den Tag in die Dunkelheit, dass er verschwunden

Ist, bevor die To-Do-List sich leert -
Damit sich Lebenszweifel mehrt!

Weil man nichts wirklich hinkriegt und nichts voll vollbringt,
Eh dass die Nacht zum Abschied winkt -
Schon ahnend, dass, wenn's wieder tagt,
Man abermals samt Plan versagt!"

Fischereihafen & das eintausendachthundertzweiundachtzigste Gedicht

Möwen im Fischereihafen von Essaouira

Möwengedicht

Dass der Möwenflug nicht beschreibbar ist,
Ohne sehr kitschig zu werden,
Bestätigt jeder Maschinist.
Und nasengerümpfte Beschwerden
Der meermissverstehenden Landrattenclique
Behaften die nie sich erhebenden Blicke
Mit Gastspielbeschwernis auf Erden.

Vielleicht strömt uns die Seichtigkeit
In jene Möwenleichtigkeit,
Dass Verse wie bodenlos werden.

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